IS-Führung riet zu Verschlüsselung:
Anweisungen offenbar ignoriert
20. November 2015, 09:35
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Die Terrororganisation hat eine 34-seitige
Anleitung für sichere Kommunikation publiziert
Nach einer Welle an Anschlägen in Paris
vergangenen Freitag dauerte es nicht lange, bis Geheimdienste
Verschlüsselungsmaßnahmen und angeblich durch Edward Snowden verratene
Geheimnisse für die erfolgreiche Durchführung der Attacken
mitverantwortlich machten. Doch noch immer schwebt über der Frage, wie
die Attentäter miteinander kommunizierten – und unbemerkt bleiben
konnten – ein großes Fragezeichen. So wurde bislang einzig eine SMS,
also ein sehr unsicheres Kommunikationsmittel, gefunden, mit der die
Terroristen über den Beginn ihres Angriffes Bescheid gegeben haben
sollen.
"OPSEC-Manual"
Wie Wired berichtet, hat die Terrormiliz
"Islamischer Staat" (IS) schon vor Monaten eine detaillierte Anleitung
über sichere Kommunikation herausgegeben. Die 34-seitige Broschüre
orientiert sich an gängigen Ratschlägen, die etwa von Datenschützern
gegeben werden. Der IS empfiehlt beispielsweise den
Anonymisierungsdienst Tor, das Betriebssystem Tails sowie Apps wie
Cryptocat, Telegram und Signal. Gewarnt wird vor etwa vor Instagram und
Whatsapp; außerdem sollen Smartphones verschlüsselt und Anrufe nur unter
großer Vorsicht durchgeführt werden. Die Playstation 4, vor deren
Nachrichtensystem Geheimdienste warnten, wird nicht erwähnt.
Attentäter hielten sich nicht an Vorgaben
"In Punkto IT-Sicherheit sind diese Maßstäbe
so gut, wie es ohne Regierungsunterstützung möglich ist", sagt der
Forscher Aaron Brantley gegenüber Wired. Allerdings erwecken eine Reihe
von Details – eben die Nutzung von SMS – den Anschein, dass sich die
Attentäter selbst nicht an die vorgegebenen Kommunikationswege gehalten
haben. Besonders der mittlerweile als tot erklärte mutmaßliche
"Drahtzieher" Abdelhamid Abaaoud soll sehr fahrlässig gewesen sein: So
fanden kurdische Kämpfer eines seiner Smartphones in Syrien, auf dem
unverschlüsselt eine Reihe von Bildern und Videos abrufbar waren.
Belgische Behörden sollen im Jänner einen Terrorplot mit Abaaouds
Beteiligung vereitelt haben, bei dessen Vorbereitung unverschlüsselt
kommuniziert worden war.
Verbot träfe schutzbedürftige Gruppen
Doch selbst wenn Terroristen verschlüsselt
miteinander kommunizieren, sehen Bürgerrechtler und IT-Experten keinen
Grund für ein Verbot entsprechender Apps. Dafür gibt es mehrere Gründe:
Einerseits würde man mit einem Verbot Dissidenten, Journalisten und
verfolgte Minderheiten gefährden sowie der Betriebssicherheit von
Konzernen schaden. Andererseits ist der IS wohl in der Lage, selbst
verschlüsselte Programme zu entwickeln. Darauf hatte beispielsweise auch
Al-Kaida gesetzt, das einen eigenen Verschlüsselungsalgorithmus
entwickelt hatte – ebenso wie übrigens auch Neonazis in Deutschland.
Behörden bleibt laut der Meinung von Geheimdienstexperten also nichts
übrig, als neben elektronischer Massenüberwachung auch verstärkt auf
andere Methoden der Terrorprävention zu setzen. (fsc, 20.11.2015)
Links
Wired
OPSEC Manual des IS
Nachlese
Geheimdienstexperten: "Paris zeigt Versagen
der Massenüberwachung" –
http://derstandard.at/2000026098564/IS-Fuehrung-riet-zu-Verschluesselung-Anweisungen-offenbar-ignoriert