FTD 05. 07. 2012 online
Hochfrequenzhandel:
Börse findet Blitzhändler dufte
© Bild: 2012 AFP/DANIEL ROLAND
Ein Flash Crash wie an der Wall Street kann die Deutsche Börse nicht
schrecken: Hochfrequenzhändler sind den Frankfurtern hochwillkommen -
als Lieferanten von Liquidität und Gebühreneinnahmen. von Isabel Gomez
Frankfurt
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Der Kassamarktvorstand der Deutschen Börse Frank Gerstenschläger kann
keinen Anstoß an Hochfrequenzhändlern finden. "Hochfrequenzhandel ist
ein natürlicher, technischer Fortschritt. Er führt zu einer
Rationalisierung im Handelsraum, vor der Finanzbranche haben das bereits
viele andere Dienstleistungszweige durchlaufen" , sagte er am Mittwoch
auf einer Konferenz in Frankfurt. Damit hat sich erstmals ein
Vorstandsmitglied eines der großen Börsenbetreiber deutlich positiv über
diese spezielle Branche geäußert.
Die schnellen Handelscomputer stehen in der Kritik, seit sie für den
sekundenschnellen Absturz des US-Leitindex Dow Jones um 1000 Punkte im
Mai 2010 verantwortlich gemacht werden. Die US-Börsenaufsicht fand
heraus, dass Hochfrequenzhändler den Kursrutsch zumindest beschleunigt
hatten. Seitdem sind auch in Europa die Aufsichtsbehörden in Sorge. Sie
wollen die Computerhändler, die über spezielle Algorithmen in
Sekundenbruchteilen Handelsaufträge ausführen, strenger regulieren. Die
Branche selbst argumentiert damit, dass sie in illiquiden Märkten als
Preissteller auftrete und damit für einen reibungslosen Handel sorge.
Im März hatte die Deutsche Börse Strafen für Händler erhoben, die ein
festgelegtes Verhältnis zwischen Aufträgen, die in das Handelssystem
eingestellt werden, und den tatsächlich ausgeführten überschreiten.
Dadurch kann es zu absichtlichen Preisverzerrungen kommen, von denen
Blitzhändler profitieren. Gerstenschläger indes sagte, auch er sehe die
Blitzhändler als Liquiditätslieferanten.
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"Wir sind der Meinung, dass Hochfrequenzhandel beherrschbar ist und von
unseren Systemen auch beherrscht wird", sagte Gerstenschläger. Eine
Mindesthaltedauer für Aufträge aller Händler hält er für einen
"fundamentalen Fehler, weil sie das Marktmodell ad absurdum führen
würde". Die Haltedauer wird wohl in der Finanzmarktrichtlinie Mifid II
stehen, die derzeit zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat
verhandelt wird.
Den von der Bundesregierung angekündigten Vorschlag, die Händler zu
registrieren, findet Gerstenschläger prinzipiell gut. Allerdings seien
die Händler die falschen Adressaten. "Wir müssen den Algorithmus und
seinen Hersteller kennen, um Marktmissbrauch nachvollziehen zu können."