ImageUS-Air-Force-Colonel Gene Lee hatte gegen
KI ALPHA keine Chance.(Foto: University of Cincinnati)
Donnerstag, 30. Juni 2016
Zu-Null-Sieg im Simulator Künstliche
Intelligenz schlägt Kampfpiloten
Von Klaus Wedekind
Seine ganze Erfahrung nützt einem ehemaligen
Kampfpiloten nichts, als er im Simulator auf einen Gegner mit
künstlicher Intelligenz trifft. "ALPHA" schießt ihn bei jedem Duell ab
und benötigt dafür nicht mal einen teuren Hochleistungsrechner.
Ein Absolvent der Universität Cincinnati hat
eine künstliche Intelligenz (KI) entwickelt, die einem erfahrenen
US-Air-Force-Kampfpiloten im Simulator-Duell keine Chance gelassen hat.
Es sei "die aggressivste, reaktionsfreudigste, dynamischste und
glaubwürdigste KI, die ich bisher gesehen habe", sagte der unterlegene
Colonel Gene Lee nach dem Test. Dabei sprach er nicht etwa über ein
Programm, das auf einem Hochleistungscomputer läuft.
Raspberry Pi statt Supercomputer
Die "ALPHA" getaufte KI benötigt für ihre
totale Lufthoheit lediglich die Rechenpower des Ein-Platinen-Computers
Raspberry Pi, der weniger als 35 Euro kostet. Der Pi 3 Model B
beispielsweise hat einen 64-Bit-ARM-Prozessor, dessen vier Kerne mit bis
zu 1,2 Gigahertz werkeln, der Arbeitsspeicher ist 1 Gigabyte groß - die
meisten modernen Mittelklasse-Smartphones sind stärker ausgerüstet.
ImageAuch mit einem Looping konnte Colonel Lee
ALPHA nicht abschütteln.(Foto: University of Cincinnati.)
Lee fliegt seit den frühen 80er Jahren gegen
KI-Gegner. Normalerweise sei ein erfahrener Pilot dem Maschinen-Feind
überlegen, sagt er. Vielleicht werde man mal abgeschossen, wenn man
etwas Neues versucht, aber eigentlich habe bisher keine KI eine
Herausforderung wie einen echten Kampfeinsatz bieten können.
"Eine echte Herausforderung"
Bisher. Denn Lee konnte ALPHA kein einziges
Mal vom virtuellen Himmel holen. Stattdessen schoss die KI den
gestandenen Air-Force-Piloten bei jedem einzelnen Waffengang ab. "Sie
schien zu wissen, was ich vorhabe und reagierte sofort auf meine
Flugmanöver und Waffenwahl", sagte Lee. "Sie wusste, wie sie meine
Schüsse abwehren konnte und wechselte je nach Bedarf blitzschnell
zwischen Angriff und Verteidigung." ALPHA hat außerdem auch schon andere
Piloten bezwungen und sogar mit schwächerer Ausrüstung die Oberhand
behalten. "Das ist vielleicht künstliche Intelligenz", sagt Lee, "aber
sie ist eine echte Herausforderung.
Unscharfe Logik
Das ALPHA-Programm und seine Algorithmen
werden von Psibernetix entwickelt, der Firma von Nick Ernest, der erst
im vergangenen Jahr seinen Doktor an der Universität machte. Das
Erfolgsrezept seines Teams ist sprachbasierte Programmierung mit
Wenn-dann-Szenarien kombiniert mit einem sogenanntes "Genetic Fuzzy Tree"-System,
einer speziellen Version von "Fuzzy-Logic-Algorithmen". Die "unscharfe
Logik" wird beispielsweise angewandt, um umgangssprachliche
Beschreibungen wie "ein bisschen" oder "ziemlich" in mathematischen
Modellen zu erfassen.
Das System gehe Probleme eher so an, wie dies
Menschen tun, erklärt Ernest. Im Football überlege ein Fänger nicht
lange, welche Statistiken der gegnerische Cornerback hat, der ihn deckt,
bevor er handelt. Stattdessen schätze er beispielsweise einfach ein:
"Der Typ ist wirklich gut und größer als ich, aber ich bin schneller."
Nur die relevanten Variablen für jede Entscheidung heranzuziehen, mache
es uns Menschen möglich, komplexe Aufgaben zu erledigen, sagt Ernest.
"Es ergibt Sinn, auch die KI so handeln zu lassen."
Nur die Asse werden Code
Ebenso einfach hält Psibernetix das
maschinelle Lernen. ALPHA wird Experten-Wissen mit Wenn-dann-Regeln
einprogrammiert. Danach beginnt der Lern-Prozess mit virtuellen Kämpfen.
Erfolgreiche Aktionen bleiben drin, erfolglose fliegen raus. So
verbessert sich das Programm von Version zu Version. Im Prinzip sei dies
wie in einem echten Luftkrieg, erklärt Ernest. Die, die am Ende
überleben, seien die Asse und würden in Code umgesetzt. Den aktuellen
Stand habe "ALPHA" auf einem Standard-PC erreicht, den man für 500
Dollar bekomme.
Das Militär ist wahrscheinlich begeistert von
"ALPHA". Die KI soll zunächst dafür eingesetzt werden, die
Pilotenausbildung zu verbessern. In Zukunft könnte sie aber auch
Flugzeugbesatzungen oder ganze Geschwader in echten Luftkämpfen
unterstützen und lenken oder in Drohnen selbstständig operieren. ALPHA
könne Taktiken und präzise Reaktionen 250 Mal schneller ausarbeiten als
ihr menschlicher Gegner blinzeln kann, so Psibernetix. Faszinierend,
aber auch ein wenig beängstigend.
Quelle: n-tv.de
http://www.n-tv.de/technik/Kuenstliche-Intelligenz-schlaegt-Kampfpiloten-article18089391htmll